Im Leben gibt es Ereignisse, die schwer zu ertragen sind und unsere natürlichen Fähigkeiten damit umzugehen, übersteigen. Dies betrifft im allgemeinen Ereignisse, die Furcht, Schrecken, Hilflosigkeit u/o Todesangst auslösen. Sie können direkt erlebt oder beobachtet werden oder einer nahestehenden Person widerfahren sein.
Wenn ein Ereignis von aussergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmass extrem belastende Reaktionen auslöst, kann jegliche Person eine Traumafolgestörung entwickeln. Diesem Risiko sind auch Ersthelfer*innen (Ambulanzfahrer*innen, Polizei, Feuerwehr, Zivilschutz, medizinisches Personal, etc.) ausgesetzt.
Zu den Traumafolgestörungen zählen nach den neusten diagnostischen Richtlinien (ICD-11, 2022 / DSM-V, 2013): die Posttraumatische Belastungsstörung, die Komplexe posttraumatische Belastungsstörung, die Anhaltende Trauerstörung, die Anpassungsstörung, und die dissoziativen Störungen. Zusätzlich erwähnenswert ist die Belastungsstörung bei anhaltender Traumatisierung (J. Gysi, 2021).
Das Risiko zur Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung ist besonders hoch, wenn eine bedrohliche Situation ausweglos erscheint, das heisst, eine rettende Aktion ist nicht zugänglich oder zu gefährlich. Im Idealfall kann die betroffene Person etwas zu ihrer Rettung tun, die für diese Aktion benötigten Körperstoffe (zB Adrenalin, Cortisol, Dopamin) werden freigesetzt und nach Abklingen der Gefahr wieder abgebaut. Hält eine Bedrohung an und ist eine Kampf- oder Fluchtaktion nicht möglich, ist die Person dem Geschehen wehrlos ausgesetzt. Gehirn und Körper werden mit stressgebundenen Körperstoffen überflutet und der menschliche Organismus kann in einen Ausnahmezustand geraten (peritraumatische Dissoziation): Die eigene Person u/o die Umgebung wird während oder unmittelbar nach einem traumatischen Ereignis als unwirklich oder verzerrt wahrgenommen. Desorientierte Handlungen oder körperliche Reglosigkeit sind in diesen Fällen möglich.
Nach dem Erleben eines traumatischen Ereignisses besteht das Risiko für Personen jeder Altersgruppe, starke psychische Reaktionen zu entwickeln. Die Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung wird begünstigt bei sehr jungen oder älteren Menschen u/o wenn frühere Traumatisierungen vorliegen oder wenn das Selbst- und Menschenbild erschüttert wird.
Die Symptome können ohne traumaspezifische Behandlung lange Zeit andauern.
Folgende Gegebenheiten in Bezug auf das Ereignis können traumatische Reaktionen verstärken: die Konfrontation mit den Konsequenzen, unangepasste Reaktionen der wichtigsten Bezugspersonen, des Freundeskreises, von Fachpersonen, Polizei, Justiz, Medien, u/o der Gesellschaft, von denen Schutz oder Trost erhofft wird.